Sunday, October 06, 2024

Heute bekam ich es richtig mit der Angst zu tun

8. Oktober 2013


"The Hitmaker" - mein Ein und Alles

Der heutige Tag fing bei mir mal wieder so richtig vielversprechend an...und von diesen Tagen gab es ja dieses Jahr schon so einige. Aber dieser Tag versprach etwas ganz Besonderes zu werden, denn schließlich dauert es nicht mehr lange, bis ich endlich die Sonderanfertigung meiner geliebte Fender Stratocaster Baujahr 1959, besser bekannt als "The Hitmaker" in den Händen halten kann, die Gitarre, mit der ich bekanntlich schon so viele Hits hervorgebracht hatte.

Gegen 8 Uhr morgens kam Paul Weller, der Gitarren-Guru von Fender, in meinem New Yorker Appartment vorbei, um mit mir die letzten Feinschliffe für die Fertigstellung meines Gitarren-Replikas zu besprechen. Er ist wirklich ein Meister für sich. Nachdem er das Instrument nochmal genau inspiziert hatte, meinte er "Diese Gitarre ist wirklich einzigartig. So etwas wie diese Gitarre gibt´s heute einfach gar nicht mehr". Er gab mir sein Ehrenwort, dass die nächste Version das exakte Replika meiner bisherigen Gitarre sein wird.

Nachdem er das Instrument 2 Stunden gründlich unter die Lupe genommen hatte, verabschiedete er sich und ich musste direkt weiter zu meinem Termin beim Grammy Komitee. Gleich nach diesem Meeting nahm ich die Metro North Bahn um 13:08 Uhr, die von der Grand Central Station direkt nach Westport/Connecticut fährt, wo sich mein Studio befindet.

Während ich so im Zug saß, rief mich plötzlich eine Bekannte an, die mir von ihrem Krebsleiden und ihren stetigen gesundheitlichen Verbesserungen berichtete. Ich war so vertieft in unser Telefongespräch, dass ich um ein Haar meine Haltestelle verpasste. Ich steig in letzter Minute aus und nahm den nächsten Taxi nach Hause. Als ich kurz vor meiner Haustüre stand, fiel mir auf, dass ich doch tatsächlich meine Gitarre im Zug vergessen hatte. Mir wurde Angst und Bange und ich sah schon Horrorszenarien vor mir, dass ich meine Gitarre niemals mehr sehen würde. Es war beinahe so, als ob man sein eigenes Kind vergessen hatte. Was für ein Alptraum.

Diese Gitarre ist für mich einfach mein Ein und Alles, ein Leben ohne sie kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Sie hat mich in meinem Leben niemals im Stich gelassen. Der Sound dieser Gitarre erklingt auf dutzenden Hit-Records, bei jedem Konzert hatte ich sie dabei, ganz zu schweigen von der Kraft, die sie mir nach dem Tod von Bernard Edwards wieder gegeben hatte. Der Verlust meiner Gitarre rief plötzlich ungeahnte Ängste in mir hervor. Es war einfach grauenhaft.

Einen Moment lang konnte ich zunächst keinen klaren Gedanken fassen. Dann sprang ich in mein Auto, um so schnell wie möglich dem Zug hinterher zu fahren, der nun natürlich schon über alle Berge war. Ich fuhr direkt nach New Haven, wo sich die Endstation des Zugs befindet. Dort berichtete ich dem zuständigen Bahnhofsangestellten von meinem Dilemma. Ihm war sofort klar, dass ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand. Aber er nahm sich der Situation sofort an. Er hatte keinerlei Ahnung, wer ich bin, aber er war sehr entgegenkommend und leitete gleich die richtigen Schritte ein. Sein Name war Bob.

In den folgenden 2 1/2 Stunden versuchte Bob alles Mögliche, aber ohne Erfolg. Während Bob sich weitere Möglichkeiten durch den Kopf gehen ließ, bat ich ein paar Polizeibeamte um Hilfe, die für die Amtrak-Linie arbeiteten...aber die waren für die Metro North Linie nicht zuständig, also zwecklos.

Plötzlich bemerkte ich einen Polizisten, der keine Amtrak-Uniform trug. Sofort machte ich Bob auf ihn aufmerksam. Wir gingen schnell zu ihm hin. Sein Name war Captain McKenna. Und er war ebenfalls sofort hilfsbereit! Es dauerte nicht lange, schon rief er die ersten Leute an, aber jeder den er erreichte meinte nur "Ach, geht´s bei euch auch um diese Gitarre?". Bob und ich riefen fast bei jeden zuständigen Mitarbeiter der Metropolitan Transit Authority an.

Als es fast schon aussichtslos schien, hatte Captain KcKenna noch eine letzte Idee, bevor er sich auf den Weg machen musste, um seine 7-jährige Tochter abzuholen. Wir stiegen in sein Auto ein und fuhren zum nächsten Bahnhof. Dort herrschte gerade Schichtwechsel und einer von den Jungs meinte "Hey, lasst es uns hier nochmal versuchen".

Und tatsächlich...da lag sie, in ihrem Soft Case neben einem Skateboard. Bei mir gab´s kein Halten mehr vor Glück.

Da sieht man mal wieder: das Leben geht eben nicht einen geraden Weg. MEin Tag fing so gut an, endete fast in einer Tragödie, und fand dann doch noch ein happy End.

Ich machte mich auf den Heimweg und dachte nochmal über alles nach.

Seitdem ich 2010 an Krebs erkrankte, hab ich schon über so vieles nachgedacht. Eins ist klar, mir war schon oftmals Angst und Bange, aber die Hoffnung habe ich niemals aufgegeben - das entspricht eben meiner innerlichen Einstellung. Auch aus dieser Erfahrung lernt man wieder was für´s Leben. Für einen kurzen Moment schien ich heute komplett die Hoffnung zu verlieren, und genau dann verfalle ich unweigerlich in Angst.

Heute bekam ich es richtig mit der Angst zu tun.

(Ich möchte mich an dieser Stelle bei Bob und Captain McKenna, sowie allen beteiligten Polizeibeamten und den hilfsbereiten Bahnangestellten bedanken, dass sie mir geholfen haben, meine "Hitmaker" wiederzufinden.)

 


Gegen 8:00 Uhr morgens kam Paul Waller, der Gitarren-Guru von Fender, in meinem New Yorer Appartment vorbei


Paul ist ein Meister für sich


Paul fotografierte jede einzelne Stelle meiner Gitarre


Ich versuchte ihn möglichst nicht stören, als er meine Gitarre unter die Lupe nahm


Nachdem er meine Gitarre unter die Lupe genommen hatte, meinte er zu mir "So eine Gitarre hab ich noch nie zuvor gesehen"


Er gab mir sein Ehrenwort, dass die nächste Version das exakte Replika meiner bisherigen Gitarre sein wird


Nach diesem Meeting nahm ich die Metro North Bahn um 13:08 Uhr direkt nach Westport/Connecticut


Ein Leben ohne diese Gitarre kann ich mir nicht vorstellen


Bob von MTA war wirklich sehr hilfreich und versuchte alles, mir zu helfen


Als ich diesen Zug sah, verlor ich fast all meine Hoffnungen


Wir sprangen in Captain McKenna's Poliezeiwagen und fuhren zum nächsten Bahnhof


Dort lag die "Hitmaker" in ihrem Soft Case neben einem Skateboard


Auf dem Heimweg dachte ich nochmal über alles nach. Als ich so auf meiner Abnk vor meinem haus saß, fiel mir auf, dass ich die Hafenzufahrt noch nie in dieser Farbe gesehen hatte. Der heutige Tag ging nochmal glimpflich aus